Die Südsee ruft! Drei Mann in einem Boot

Ab Galapagos liegen vor uns 3.074 Seemeilen (5.687 Km) Wasser mit durchschnittlich 4.000 m Wasser unterm Kiel, bis wir das Herz des Pazifik erreichen. Es ist ein „La Ninja“ Jahr mit einer unterdurchschnitllichen Wassertemperatur, was uns neben den angenehmen Passatwinden auch ca. zwei Knoten mitlaufende Strömung beschert. Mit diesen Wind- und Strömungsverhältnissen segelte vor über 70 Jahren der norwegische Forscher Thor Heyerdahl mit seinem Floß KON-TIKI ebenfalls von Südamerika nach Französisch Polynesien, er benötigte 101 Tage.
So eine Langfahrt birgt immer auch ein gewisses Risiko: Unfall, ernste Krankheit, Kollisionen, technische Probleme und nicht zuletzt die gruppendynamischen Prozesse der Crew, die sich nicht aus dem Wege gehen kann und die von jedem einzelnen 100%ige Verlässlichkeit verlangt. Ein Fehler z.B. während der Nachtwache kann gravierende Folgen für Schiff und Besatzung haben. Das Gute: Corona kann uns in der Einsamkeit des Pazifiks nichts anhaben.

 

Das Spifall kurz vor dem Bruch, gerade noch gut gegangen, sonst wäre der Spinnaker baden gegangen…

 

Eine ganz besondere Erfahrung ist diese unendliche Weite. Wir sind abseits von jeglicher Zivilisation, kein Internet, keine Fremdgeräusche (außer der umgebenden Natur), kein Telefon, kein Autostau. Wenn es dunkel wird, überkommt uns am Beginn der Fahrt manchmal die Sorge, einen treibenden Gegenstand zu rammen oder mit einen Wal zu kollidieren, aber bald dominiert die Faszination der Dunkelheit und das pralle Leben an der Wasseroberfläche, welches sich in der Nacht komplett ändert. Einmal mit dem Suchscheinwerfer in die Dunkelheit geleuchtet und es reflektieren dutzende Augen kleiner Tintenfische, die in der Nacht an die Oberfläche kommen. Auch die Räuber sind unterwegs und so hören wir immmer mal wieder platschende Geräusche, wenn gerade ein Raubfisch auf seine Beute trifft.
Bei wolkenlosem Himmel ist es, als segelten wir mitten im Weltraum, so deutlich und nah erscheinen die Sterne und die Milchstraße am Himmel. In anderen Nächten zieht eine leuchtende Spur hinter der Namaka her: Planktonleuchten. Wieder in anderen Nächten erleben wir den Mond in all seinen Variationen, er geht blutrot am Horizont auf, ändert seine Farbe und die Nacht erscheint so hell, dass man ohne Fremdlicht ein Buch lesen kann.
Wir kommen in einen eigenen Lebensrythmus, der sich am Sonnenlauf und den Meeresbedingungen orientiert und nach 22 Tagen heißt es „Land in Sicht“.
Die Südsee!

 

In der Passeinfahrt von Maupiti herrschen zeitweise bis zu acht Knoten Strömung, Blick aus 356 m Höhe

 

Wir haben die Marquesas-Inseln errreicht! Sie sind ein Teil von Französisch Polynesien, ein Staat mit 118 Inseln und Atollen. Auf einer Fläche, die etwa Westeuropa entspricht leben gut 285.000 Menschen. In diesem riesigen Gebiet entwickelte sich eine Seefahrt, die schon vor Jahrhunderten große Distanzen ohne Kompass und nautische Instrumente überwand.
Französisch Polynesien besteht aus mehreren Inselgruppen mit unterschiedlichem Alter, alle vulkanischen Ursprungs. Die jüngsten Inseln sind die Marquesas mit erloschenen Vulkanbergen bis über 2.000 m Höhe. Erdgeschichtlich folgte dann ein Riffgürtel, der die absinkende Insel umgibt, bis schließlich die Berge vollends im Meer versanken und nur noch das Atoll mit dem Korallenriffgürtel übrig blieb. Dieser Prozess dauert Jahrmillionen.

 

Achtung beim Ankern! Bummies (Korallenblöcke) und Ankergeschirr vertragen sich nicht. Das Anheben der Ankerkette schont die Korallen

 

Doch wir sehen heute, dass wir in einem „globalen Dorf“ leben, denn im August 2021 steigt auch in Tahiti die Corona-Inzidenz auf einen Wert von über 3.000 (!). Das Land geht in einen totalen Lockdown, also nichts mehr mit Segeln, denn auch die Reisetätigkeit ist untersagt. Das öffentliche Leben steht weitgehend still und die Delta-Variante von COVID 19 ist die beherrschende Macht im Land. Es gibt schlechtere Orte als die Südsee, um die Ausgangssperren zu erdulden. Da jedoch auch die Flugverbindungen nach Übersee sehr eingeschränkt sind, ist es zunehmend schwierig, vereinbarte Expeditionstouren mit Teilnehmern zu realisieren.

 

 

Zeugen des Düngerabbaus. Die Natur holt sich ihr Reich zurück

25.01.2022|